Facetten des Niederdeutschen
Schnipsel
Migration und Elend - aktuelle etymologische Anmerkungen
Klaus Groth im „Heisterkrog‟ (GW 2,86):
Se war dat don, se war ȩr to sik nȩhm,
Se wuß Maria kunn nich inne Fremdn
Nu noch tum tweten Mal, un æwert Water,
Se wuß ja sülbn, wa Brot int Elend smeck. ...
Frau Haarlem will Maria retten und sie zu sich holen, denn Johann, ein skrupelloser Mann, will Maria mit sich nehmen.
Elend hat hier eine besondere Bedeutung, die heute verloren gegangen ist: `Fremde´.
Altsächsisch elilend heißt `Ausland, Fremde´ (s. koeblergerhard.de), wie auch althochdeutsch elilenti `Fremde, Aufenthalt in der Fremde (im anderen Land), Heimatlosigkeit, Verbannung´ (9. Jh.) (s. dwds.de).
Mittelniederdeutsch elende hat die Bedeutuung `Fremde (F.), Wohnen im fremden Land, Verbannung, Heimatlosigkeit, Trübsal, Unglück, diese Welt im Verhältnis zum Jenseits, Einöde, Wüstenei´ (s. koeblergerhard.de/mnd).
Die Wendung Wa Brot int Elend smeckt hat also nichts mit materieller Armut zu tun (Maria könnte sogar reich werden!), gemeint ist: `Wie Brot in der Fremde schmeckt´. Aber da die Fremde oft auch Trübsal, Unglück mit sich bringt, erhält das Wort um 1000 im Hochdeutschen die Bedeutung ’leidvolles Dasein‘, später im Mittelniederdeutschen die Nebenbedeutung `Trübsal, Unglück´. Im 19. Jahrhundert war die alte Hauptbedeutung `Fremde´noch bekannt, heute nicht mehr.